LE KIOSK


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projekt, 2006-2009



Kioske, Buden, Trinkhallen oder Wasserhäuschen sind, obwohl sie wegen ihres Publikums und ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht immer geliebt werden, Treffpunkte von besonderer gesellschaftlicher und sozialer Relevanz. So wurde das Modell Kiosk in der Vergangenheit immer wieder zur Plattform bzw. zum Begriff für unterschiedliche, künstlerische Projekte. Christoph Keller schickte 2002 einen Bücher und Zeitschriften-Kiosk auf Reisen, Dirk Fleischmann verkaufte auf der Manifesta 4 in Frankfurt Getränke und Lebensmittel, die ihm die teilnehmenden Künstler vorgeschlagen hatten. Auch Thomas Hirschhorn baute mit Jugendlichen im Rahmen seines Projekts Bataille Monument (2002) auf der Documenta11 unter anderem einen Kiosk.

Daran Anknüpfend, ist mit le kiosk in Karlsruhe ein neues Kooperationsprojekt im öffentlichen Raum entstanden. Die Initiatoren Christa Fühlbier, Andreas Arndt, Danielle Scheuer, Werner Reiff, Max Kosoric und Sanne Pawelzyk starteten 2006 das Projekt mit einem selbst entworfenen Kiosk, den sie sechs Wochen lang im Karlsruher Nymphengarten aufstellten. Der Standort war dabei von besonderer Bedeutung. Das Parkstück, zwischen der Kriegsstraße und dem Staatlichen Museum für Naturkunde gelegen, ist Passanten nur als Durchgangsort auf dem Weg in die Innenstadt bekannt oder verhilft nachts der örtlichen Schwulenszene zu anonymen Bekanntschaften. Mit dieser temporären Architektur sollte zum einen ein Ort im öffentlichen Raum besetzt, zum anderen ein Ort der Kommunikation und ein künstlerischer Freiraum für Verschiedenste Aktionen geschaffen werden.

Eine Besonderheit des Kiosk, bei dem im Zuge der Abendveranstaltungen Kleinstartikel wie Getränke und Knabbereien verkauft wurden, stellte die Möglichkeit dar, vor Ort auch Künstlerportfolios zur präsentieren und einzusehen. Das Portfolio wurde als eigene Form der Ausstellung verstanden, und der Inhalt, die Aufteilung und Gestaltung wurde jedem Künstler selbst überlassen.
Teilweise nahmen die Künstlerinnen und Künstler bei der Auswahl ihrer Werke auch Bezug auf den Ort. Somit war das Projekt, an dem jeder partizipieren konnte – egal ob mit Portfolio, musikalischen und literarischen Auftritten-, auch ein Experiment, das sich mit der Frage auseinandersetzte, wie eine solche Plattform angenommen wird und auch in ihrer Offenheit noch funktioniert. le kiosk verstand sich als ein Ort der Beteiligung, der vielmehr von Eigeninitiative und Verantwortung der einzelnen Künstler als von einem starren Konzept vonseiten der Veranstalter geprägt wurde.

In diesem Sinne wurde auch die Auswahl der Portfolios nicht juriert. Das Projekt verstand den Kiosk als einen Ort, der sich gegen die Definitionsmacht von Institutionen behauptet, in dem einerseits stärker auf ein Netzwerk aus Freunden und Bekannten fokussiert und andererseits die endgültige Auswahl den Betrachtern und Besuchern überlassen wurde. Im besten Falle sollten die einzelnen Positionen und deren künstlerische Aussage noch vor Ort verhandelt werden. Dem Kiosk selbst als Objekt kam dabei keine besondere Bedeutung zu. In Weiß gehalten und eher pragmatisch als spektakulär gebaut, trat er in den Hintergrund und stellte lediglich eine Bühne für die jeweilige Veranstaltung dar. In der Konstruktion, die an einen Bauwagen oder älteren Wohnwagen erinnerte, war die Mobilität des Projekts bereits angelegt.

Nachdem le kiosk auch im Parc Ed. Klein in Luxemburg im Rahmen des Kulturhauptstadt-Jahres vertreten war, wurde das Konzept für die Ausstellung Vertrautes Terrain noch einmal erweitert beziehungsweise modifiziert.
In Bezug auf das Ausstellungsthema wurden die beteiligten Künstler nun eingeladen, Souvenirs für Deutschland zu entwickeln. Des Weiteren fand während der Öffnungszeiten ein umfangreiches Programm statt, das gemeinschaftlich entwickelt wurde und konkreten Bezug auf die Ausstellungsthematik nahm. Mit Performances, Vorträgen, Lesungen, Konzerten, der Übertragung von Tatort und der Deutschland-Spiele während der Fußballeuropameisterschaft 2008 wurde ein Bezugssystem geschaffen, das zugleich einen Treffpunkt, Spielplatz, sowie Anregungen zu Kommunikation, Diskussion, Vernetzung und Kollaboration auf dem Vorplatz des ZKM/Karlsruhe bot.



Auszug aus der Publikation: "Vertrautes Terrain", Karlsruhe 2008